Das Projekt farvel ist abgeschlossen.

Mit farvel haben Jennifer Beitel, Markus Traber und Lilli Berger zwei Jahre lang virtuelle 3D Erinnerungsräume entwickelt und diverse Veranstaltungen im Virtual Space durchgeführt. Das Team hat im Förderzeitraum bis einschließlich September 2022 mit Hilfe von Gründungsstipendien der Universität der Künste Berlin und der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf geforscht. Aus den Forschungsergebnissen und Gründungserfahrungen gingen zwei Unternehmen hervor:

Markus Traber und Jennifer Beitel mit www.ternaty.com

Lilli Berger mit www.vyvyt.com

P.S. Alle Räume, u.a. Mandy‘s Erinnerungsraum, werden weiterhin unter farvel.space zur Verfügung stehen und von uns gemeinsam betreut.

Im Backstagebereich laufen die letzten Vorbereitungen für das Diskussionspanel auf der republica 22 mit dem Thema „Asche zu Staub. Wandel der Bestattungs- und Erinnerungskultur“. Die Gründer*innen von farvel, dem ersten virtuellen Erinnerungsraum, Lilli Berger, Markus Traber und Jennifer Beitel organisierten die Diskussionsrunde. Schnell füllen sich die Stühle vor der Bühne. Letzter Check. Die Gründerin von Good Grief und Innovationsberaterin Stefanie Schillmöller trinkt einen Schluck Wasser. Der Mitgründer von Meine Erde und Mitinitiator von Reerdigung, welches Körper in fruchtbare Erde verwandelt, Pablo Metz checkt ein letztes Mal seine Notizen auf dem Handy. Die zertifizierte Rednerin Mathilda Goldreden, Teil von Wer Du Warst, nimmt als Moderatorin der Diskussionsrunde das Mikrofon in die Hand. Lilli Berger macht sich auf den Weg zur Bühne, Markus Traber führt im Backstagebereich live durch den Raum und Jennifer Beitel nimmt die Community auf Instagram mit.

Lilli Berger geht als erste auf die Bühne und lässt die letzten Jahrzehnte der Bestattungsbranche Revue passieren. Denn es passierte lange Zeit nichts, was den digitalen Wandel anbelangt. Glücklicherweise tut sich dafür in den letzten Jahren sehr viel.

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Mitgründerin Lilli Berger leitet auf der Bühne das Diskussionspanel ein.

Mathilda Goldreden übernimmt die Moderation und stellt die Podiumsgäst*innen vor. Aus der Diskussion mit der grundlegenden Fragestellung, wie die Bestattungs- und Erinnerungskultur der Zukunft aussieht, gehen folgende Kernthemen hervor:

Rolle des Menschen bei Tod und Trauer:

Im Fokus steht der Mensch mit all seinen Bedürfnissen, die sich auch auf die Art und Weise der Trauer auswirken. Konsens ist, wie wir bestattet werden oder wie wir trauern, soll immer auch zu den betroffenen Menschen passen. Zugehörige können nach dem Tod auch neue Entscheidungen treffen, denn sie müssen mit dem Verlust umgehen können, so Pablo Metz. Und da ist es umso schöner, dass sich neue Bestattungsformen wie Reerdigung und neue Erinnerungsformen wie farvel.space etablieren und das Angebot um Möglichkeiten erweitern. Trauer ist dennoch sehr individuell, kann einen direkt nach dem Todesfall treffen oder auch Jahre später. Deshalb könnte laut Stefanie Schillmöller ein Anspruch auf beispielsweise 30 zusätzliche Urlaubstage nach einem Trauerfall hilfreich sein, der flexibel einsetzbar ist.

Planung des eigenen Todes und Trauer:

Lebensanfang und Lebensende gehören zusammen und wirken gemeinsam. Pablo Metz vergleicht es ganz einfach so: Während mannigfaltige Vorbereitungen vor einer Geburt getroffen werden, um die Zeit zu haben, den Moment mit dem Kind voll auszuschöpfen, tendiert unsere Gesellschaft dazu, den Tod an Einrichtungen wie Krankenhäuser abzugeben. Dabei ist die Beschäftigung mit dem Tod und die Planung um den Abschied genauso mit dem Leben verbunden wie die Geburt. Stefanie Schillmöller fügt hinzu, dass die Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen im Trauerfall viel Raum geben kann, um sich ganz und gar der Trauer hingeben zu können und sich zu verabschieden. Zudem können dadurch auch eigene Rituale entwickelt werden, die den Trauernden helfen, wie zum Beispiel den Sarg zu bemalen oder die Urne selbst zu tragen.

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Mathilda Goldreden
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Lilli Berger

Digitales Leben = Digitaler Tod:

Unser aller Leben findet in vielen Teilen auch digital statt, so sollte auch der Tod digital in unserem Leben mit einbezogen werden. Allerdings ist nach Stefanie Schillmöllers Auffassung weniger die Übertragung von offline zu online gemeint, sondern das Schaffen von neuen Ritualen, neue Visualität und neue Interaktionen. Aufgrund der Globalisierung sind unsere Freund*innen auch immer häufiger nur im Internet anzutreffen, so Lilli Berger von farvel. Vielen Menschen ist es aufgrund der Entfernung zu ihrer Familie oft nicht möglich, sich vor Ort von der verstorbenen Person zu verabschieden. Zudem besteht auch ein großer Handlungsbedarf in Unternehmen mit Mitarbeitenden, die oftmals nicht zur privaten Trauerfeier eingeladen werden und dann nicht wissen, wie und wo sie Abschied nehmen können. farvel.space ermöglicht Trauernden einen Ort für Abschied, Erinnerung und Austausch, der dem Anlass entsprechend eingerichtet ist. Zugehörige können hier jederzeit und von überall aus in den Raum gehen und der verstorbenen Person gedenken.

Nachhaltigkeit auch beim Tod/Trauer:

Derzeitige Bestattungsformen wie die Erdbestattung und Feuerbestattung sind fernab nachhaltig zu sein, erklärt Stefanie Schillmöller. Bei Erdbestattungen verbrauchen Kühlaggregate sehr viel Energie, die Särge bestehen häufig aus Tropenhölzern und obendrauf kommen synthetische Fasern, die sowohl im Sarg selbst als auch in Klamotten der verstorbenen Person vorkommen. Ganz abgesehen davon, dass die verstorbene Person noch Medikamentenrückstände, künstliche Gelenke, etc. mit ins Grab nimmt und langfristig das Grundwasser belastet. Im Gegensatz zur klassischen Erdbestattung gibt es laut Stefanie Schillmöller in den Niederlanden die Möglichkeit, Menschen in Leinentüchern zu bestatten. In Deutschland ist es, so Pablo Metz, durch Reerdigung gelungen, dass körpereigene Mikroorganismen den verstorbenen Körper innerhalb von 40 Tagen zu wertvollem Humus zu verarbeiten. Dieser wird dann 30 cm tief in die aktive Bodenschicht des Friedhofs eingebracht. Hier können die Mikroorganismen ihre Arbeit verrichten und einen bepflanzten Baum nähren.

Feuerbestattungen, die laut Pablo Metz letztes Jahr in Berlin zu 97 % der Bestattungen ausgemacht haben, werden mit Erdgas durchgeführt. Mit der Klimakrise ist die Nutzung von Erdgas langfristig nicht mehr zu verantworten. Hinzu kommen Abhängigkeiten von Drittstaaten, die langfristig nicht mehr tragbar sind, wie der Ukraine Krieg offenbart. Es gibt aber durchaus auch schon nachhaltigere Varianten wie Eis und Papier. Letzteres ist bereits in Deutschland möglich. Schau hierzu gerne bei urnfold vorbei.

Die Trauerfeier an sich ist auch unter Nachhaltigkeitsaspekten zu überdenken. Veranstaltungen wie diese ziehen meist lange Anreisen mit Flugzeug und Auto und in Plastik eingewickelte Schnittblumen mit sich, die nur für den kurzen Moment der Beerdigung von Bedeutung sind.

Mittlerweile gibt es auch vielfältige digitale Trauerangebote wie unseren virtuellen Erinnerungsraum farvel.space, in dem auch Abschiedsfeiern ausgerichtet werden können. Hier achten wir auf Nachhaltigkeit. So stehen zum Beispiel unsere Server in Deutschland, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Die Software ist möglichst barrierefrei gestaltet, sodass auch Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen oder aus Gründen der Distanz verhindert sind, an der Trauerfeier teilnehmen.

Bei allem gilt: Der Verlust ist für die Zugehörigen ein Schicksalsschlag und ein Fingerzeig ist hier nicht der richtige Weg. Vielmehr geht es darum alternative, nachhaltigere und vielfältigere Angebote zu schaffen, die zu den Menschen passt.

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Stefanie Schillmöller
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Pablo Metz

Menschliche Nähe:

Viele Bestatter*innen, freie oder religiöse Trauerbegleiter*innen, freie oder religiöse Trauerredner*innen kümmern sich und verbringen viel Zeit mit den Zugehörigen, um eine individuelle Abschiedszeremonie zu gestalten. Wir haben Menschen in religiösen Kontext aus dem Publikum sprechen hören, die sich intensiv mit dem Tod auseinander setzen und die Zeit mit den Angehörigen sehr schätzen. Natürlich gibt es auch Begleiter*innen, Redner*innen und Bestatter*innen, die dem Abschied nicht die Leidenschaft entgegen bringen und sich stattdessen auf Stammdaten und Fakten beschränken. Deshalb ist es umso wichtiger, immer wieder den Menschen mit all seinen Lebensgeschichten in das Zentrum unserer Gesellschaft zu rücken. Wir dürfen uns die Zeit nehmen, erklärt schließlich Pablo Metz, die richtigen Menschen für eine Abschiedsgestaltung zu finden, in deren Hände wir uns bei all dem Verlust und Trauer auch wohlfühlen.

Im Angesicht des Todes:

Die Beschäftigung mit dem Tod bringt nicht nur dunkle schwere Geschichten mit sich, sondern setzt den Fokus auf wichtige Fragen des eigenen Lebens. Stefanie Schillmöller bringt zentrale Fragen mit ein, die zum Nachdenken einladen: „Was ist mir wichtig? Was sind die Geschichten, die bleiben sollen? Was sind die Werte, die ich weitergeben will? Was sind all die schönen Dinge, die ich erlebt habe?“ Sie spricht ferner eine klare Einladung aus, sich mit dem Tod zu beschäftigen, da es ein „guter Spiegel“ sein kann für die Probleme, die wir mit uns herumtragen, um das Leben im Angesicht der Endlichkeit zu wertschätzen.

Zahlreiche Wortmeldungen und Kommentare bis zum Schluss haben einen tollen Diskurs mit den Podiumsgäst*innen geschaffen. Wir freuen uns sehr, dass dieser rege Austausch über dieses doch oft totgeschwiegene Thema auf der re:publica 2022 stattfinden konnte. Ein herzlicher Dank gilt auch Stefanie Schillmöller, Pablo Metz und Mathilda Goldreden und natürlich dem gesamten Team von der re:publica 2022 für diese tolle Digitalkonferenz. Die re:publica hat die Diskussionsrunde aufgezeichnet und kann in voller Länge angeschaut werden:


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