Das Projekt farvel ist abgeschlossen.

Mit farvel haben Jennifer Beitel, Markus Traber und Lilli Berger zwei Jahre lang virtuelle 3D Erinnerungsräume entwickelt und diverse Veranstaltungen im Virtual Space durchgeführt. Das Team hat im Förderzeitraum bis einschließlich September 2022 mit Hilfe von Gründungsstipendien der Universität der Künste Berlin und der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf geforscht. Aus den Forschungsergebnissen und Gründungserfahrungen gingen zwei Unternehmen hervor:

Markus Traber und Jennifer Beitel mit www.ternaty.com

Lilli Berger mit www.vyvyt.com

P.S. Alle Räume, u.a. Mandy‘s Erinnerungsraum, werden weiterhin unter farvel.space zur Verfügung stehen und von uns gemeinsam betreut.

Wie wurden die Grundsteine für eine Kommerzialisierung der heutigen Begräbnisindustrie gelegt? In diesem historischen Rückblick (Teil 1-3) werden drei Entwicklungsschritte sichtbar. Zum einen der Übergang von einer kirchlichen zu einer staatlichen Regelung mit Einfluss des Verbände-Systems, welches bis heute den Bestattungsmarkt lenkt. Zum anderen der Wandel von einer gemeinschaftlichen und familiären, hin zu einer professionalisierten Totenfürsorge. Die letzte Entwicklung ist der Übergang vom handwerklichen Gewerk hin zu einem technisch-betrieblichen Wirtschaftssystem.

Im zweiten Weltkrieg wurden die privat geführten Bestattungshäuser im Zuge der nationalsozialistischen Umstrukturierung verstaatlicht. Erst nach dem zweiten Weltkrieg fanden auf westdeutscher Seite Neugründungen von Berufsorganisationen für das Bestattungsgewerbe statt. 1957 entstand der zentrale Bundesverband Deutscher Bestatter (BDB).

„Neben diesem zentralen Bundesverband, der den Großteil der Beerdigungsunternehmer repräsentiert, formierten sich ab den 1950er-Jahren Dachverbände für die Sarg-, Grabmal- und Trauerwarenindustrie, den Gartenbau sowie für weitere Teilaspekte der Bestattung“1, beschreibt Forscher Dr. Akyel.

Die neuen Bundesländer zogen nach der Wiedervereinigung nach. Die Interessen der jeweiligen Berufsgruppen rund um den Trauerfall werden bisher in 16 Fachverbänden zusammengefasst. Durch die Zusammenschlüsse in Verbände können kommerzielle und politische Interessen des Berufsstandes und gegen nationale und internationale Konkurrenz gesichert werden. Auch einer abermaligen Enteignung durch die Regierung soll damit vorgebeugt werden. Gleichzeitig kann die Kommerzialisierung und Professionalisierung des Bestattungsberufs voran getrieben werden. Sie schafft berufsständische Normen.

Frischer Wind im Bestattungswesen 1

Im Zuge des aufkommenden Ökonomisierungsprozesses wird nicht nur das staatliche und unternehmerische Handeln beeinflusst, sondern auch die moralische, kulturelle und wirtschaftliche Nachfrage in der Gesellschaft. Durch die Auflösung des traditionellen Konsumverhaltens durchlaufen Bestattungszeremonien einen Wertewandel. „Aufwändige Grabmäler und Feierlichkeiten, die in der ständischen Gesellschaft ausschließlich der Oberschicht vorbehalten gewesen waren, etablierten sich nun auch in den mittleren und unteren Schichten“, erklärt Dr. Akyel weiter2. Damit veränderte sich auch der Beruf der Bestattungsfachkraft.

Während früher die handwerklichen Tätigkeiten, etwa der Bau eines Sarges, den wesentlichen Bestandteil des Berufs ausmachten, führen Bestattungsunternehmen heute sehr persönliche und individuelle Beziehungen mit Hinterbliebenen. Sie sind Begleiter*innen durch eine schwierige und emotionale Zeit. Im klassischen Bestattungsunternehmen gibt es keine Automatisierung. Dies wird auch von Zugehörigen erwartet. Der Wert eines Bestattungsunternehmens besteht aus dem engen Kundenkontakt, dem hohen Fach- und Anwendungswissen der Bestattungsfachkraft und dem damit einhergehenden Vertrauen. Die Beziehung basiert auf menschlicher Interaktion vor Ort. Es handelt sich hier um eine tiefgehende und intime Beziehung. Das Bestattungsunternehmen ist auf das Vertrauen ihrer Kundinnen angewiesen ist. 

Frischer Wind im Bestattungswesen 3

Dieses Vertrauen wird durch die Verbände gestärkt, wie zum Beispiel durch Prüfsiegel. Zudem stärken sie den deutschen Bestattungsmarkt gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland und schützen so kleine familiengeführte Betriebe. Auf der anderen Seite lähmt es Innovation in der Bestattungskultur. Während in den USA schon neue Arten der Beisetzung etabliert werden, halten die Verbände in Deutschland an der Friedhofspflicht fest und zählen lediglich neue Möglichkeiten der Aschebeisetzung auf (siehe dazu unseren Artikel Eine wandelnde Trauerkultur. 

Doch wir befinden uns inmitten eines Generationswechsels und das birgt großartige Chancen. Alt eingesessene Familienbetriebe werden von einer jüngeren Generation weitergeführt. Neue Formen des Abschiednehmens werden zugelassen und digitale Konzepte des Erinnerns entstehen. Besonders Letzteres möchten wir aktiv mitgestalten. Mit unserer Arbeit an einem virtuellen Abschiedsraum wollen wir ein neues Geschäftsmodell für Bestatter*innen und Trauerredner*innen entwickeln, die einen Quereinstieg in die Digitalisierung wagen. Durch unsere Software ermöglichen wir eine ortsunabhängige Abschiednahme und erweitern damit das Produktportfolio der Bestatter*innen und Trauerredner*innen. Die Nutzung des virtuellen Raums ist als Ergänzung zur physisch stattfindenden Bestattungszeremonie im engen Kreis der Angehörigen zu sehen und kann genau dort ansetzen, wo analoge und ortsabhängige Umstände an ihre Grenzen stoßen. (Weiterlesen Teil 1 und Teil 2)

Titelbild-Credits:

Quellen:

  1. Akyel, Dominic (2013): Die Ökonomisierung der Pietät. Der Wandel des Bestattungsmarkts in Deutschland, in: Schriften aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Köln (Hrsg.): Bd. 76, Frankfurt am Main: Campus-Verlag.
  2. Akyel, Dominic; Beckert, Jens (2014): Pietät und Profit. Kultureller Wandel und Marktentstehung am Beispiel des Bestattungsmarktes, in: KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 66. Jg., Heft 3/2014.


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