Das Projekt farvel ist abgeschlossen.

Mit farvel haben Jennifer Beitel, Markus Traber und Lilli Berger zwei Jahre lang virtuelle 3D Erinnerungsräume entwickelt und diverse Veranstaltungen im Virtual Space durchgeführt. Das Team hat im Förderzeitraum bis einschließlich September 2022 mit Hilfe von Gründungsstipendien der Universität der Künste Berlin und der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf geforscht. Aus den Forschungsergebnissen und Gründungserfahrungen gingen zwei Unternehmen hervor:

Markus Traber und Jennifer Beitel mit www.ternaty.com

Lilli Berger mit www.vyvyt.com

P.S. Alle Räume, u.a. Mandy‘s Erinnerungsraum, werden weiterhin unter farvel.space zur Verfügung stehen und von uns gemeinsam betreut.

Wie kam es zu dem Übergang von einer kirchlichen zu einer staatlichen Regelung? Historisch gesehen überrascht es kaum, dass der Einfluss des deutschen Verbände-Systems bis heute den Bestattungsmarkt lenkt. 

In Berlin lässt sich das privatwirtschaftliche Bestattungsgewerbe erst nach Einführung der allgemeinen Gewerbefreiheit 1810 manifestieren (Stein-Hardenbergsche Reform). Die im Zuge der wirtschaftlichen Reform neu eingeführten staatlichen Regelungen bedingen eine neue Zuordnung des sanitären Aufgabenbereichs, sodass Leichenhäuser etabliert werden:

„Sie sollen einerseits durch eine längere Aufbewahrung und Beobachtung der Leichen dem gefürchteten Scheintod entgegenwirken […], andererseits eine hygienisch einwandfreie Verwahrung der Toten bis zur Beerdigung ermöglichen“1, schreibt das Großen Lexikon der Bestattungs- und Friedhofskultur. Durch diese Neuerung werden die Bräuche der häuslichen Aufbahrung zur Totenwache sowie der festliche Leichenzug, der dem Toten das letzte Geleit vom Sterbehaus zum Friedhof gewährt, aufgegeben. 

Kampf um den Tod 1

Dr. Dagmar Hänel, Leiterin des LVR-Instituts für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn, stellt in ihrem Buch: „Bestatter im 20. Jahrhundert“ fest, dass die Entwicklung hin zu Leichenhallen und die Professionalisierung des Bestattungsgewerbes zur Ausgrenzung der Auseinandersetzung mit dem Tod aus dem Alltagsleben der Familien führt3. Familien sind zunehmend auf Bestattungsunternehmen angewiesen, weil das Wissen über die Totenfürsorge ausgelagert wird und nicht mehr innerhalb einer Familie abrufbar ist. Das bestätigt auch der Soziologe Prof. Dr. Klaus Feldmann: „[D]as traditionelle Betreuungspersonal (Verwandte, Nachbarn, Priester) wurde teilweise aus dem Feld gedrängt oder marginalisiert“4. Dies hat eine Überforderung sowohl für Hinterbliebene als auch für das Umfeld von Trauernden zur Folge und erschafft zugleich eine neue Kaufkraft.

Durch den selbstständigen Erwerb von Gütern rund um die Bestattung beginnt eine neue Prestigefrage: „Die Auswahl von Totenfürsorgeleistungen nach preislichen und qualitativen Kriterien bekam dadurch einen höheren Stellenwert und wurde überdies zu einem funktionalen Erfordernis“5, stellt Dr. Dominic Akyel in einer Untersuchung zur „Ökonomisierung der Pietät“ fest. Mit steigernder Nachfrage an Bestattungsprodukten entstehen neue Konsumgüter und ein wachsender Markt. Die Bestattung wird plötzlich nicht mehr nach sittlichen, sondern nach monetären Kriterien bewertet. „Die religiöse Werthierarchie des Mittelalters wurde damit von einem an ökonomischen Kriterien ausgerichteten Preisgefüge abgelöst“5, schreibt Akyel weiter.

Kampf um den Tod 2

Um den damit einhergehenden steigenden Preisen und möglichen Verschuldungen von Bestattungspflichtigen entgegenzuwirken, werden in vielen Kommunen Preiskategorien festgelegt. Es etablieren sich standardisierte Produktpakete, die gestaffelte Beerdigungsklassen widerspiegeln1. Auch kommunale Friedhöfe führen nun ein Tarifsystem ein, welche den Preis nach ökonomischen Kriterien wie der Größe, Lage und Belegungsdauer der Friedhofsflächen definiert2. Neben der Preisentwicklung wirkt sich auch die Zeit der Auflkärung bzw. Industriealisierung auf das Bestattungswesen aus. Die Wiederentdeckung der Feuerbestattung lässt gegen Ende des 19. Jahrhunderts Krematorien entstehen5. Die einst von Karl dem Großen als unchristlich abgetane und der Hoffnung auf Auferstehung entsagende Bestattungsform wird in den 1920er und 30er Jahren immer beliebter1. Die Kremation beschleunigt die Bestattung und gestaltet diese effizienter:

„Trotz des höheren technisch-betrieblichen Aufwands ist die Feuerbestattung wegen des kleineren Formats der Grabstelle und des dadurch geringeren Pflegeaufwands die preiswertere Bestattungsform“, beschreiben Frank Thieme und Julia Jäger in ihrem Lehrbuch „Tod und Sterben in Deutschland“6.

Durch die rechtliche Gleichstellung von Erd- und Urnenbestattung im Feuerbestattungsgesetz (1934) gelingt eine Trendwende und eine neue Konkurrenz, die der Feuerbestattungsvereine, entsteht. Somit buhlen nun Sargtischlehrmeister*innen, kommunale Bestattungsämter, Beerdiungsunternehmen und Feuerbestattungsvereine um das Geld der Angehörigen. Doch die wirtschaftliche Freiheit der einzelnen Gewerke hält nicht lange an. Durch die kreativen Innovationen in der Bestattungsbranche macht die nationalsozialistische Umstrukturierung einen Strich durch die Rechnung und verstaatlichte kurzer Hand die Vereinsstrukturen. (Weiterlesen Teil 1)

Titelbild-Credits:

Quellen:

  1. Sörries, Reiner (2002): Großes Lexikon der Bestattungs- und Friedhofskultur, in: Zentralinstitut für Spektralkultur, Kassel (Hrsg.): Wörterbuch zur Sepulkralkultur, 1. Aufl. Bd. 1, 1. Volkskundlich-kulturgeschichtlicher Teil: von Abdankung bis Zweitbestattung, Braunschweig: Thalacker Medien.
  2. Akyel, Dominic; Beckert, Jens (2014): Pietät und Profit. Kultureller Wandel und Marktentstehung am Beispiel des Bestattungsmarktes, in: KZfSS Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 66. Jg., Heft 3/2014.
  3. Hänel, Dagmar (2003): Bestatter im 20. Jahrhundert. Zur kulturellen Bedeutung eines tabuisierten Berufs, Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland Bd. 105, Münster et al.: Waxmann.
  4. Feldmann, Klaus (2010): Tod und Gesellschaft. Sozialwissenschaftliche Thanatologie im Überblick, 2. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag.
  5. Akyel, Dominic (2013): Die Ökonomisierung der Pietät. Der Wandel des Bestattungsmarkts in Deutschland, in: Schriften aus dem Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung Köln (Hrsg.): Bd. 76, Frankfurt am Main: Campus-Verlag.
  6. Thieme, Frank; Jäger, Julia (2019): Sterben und Tod in Deutschland. Eine Einführung in die Thanatosoziologie, Wiesbaden: Springer VS.


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