Ende Oktober 2021 benannte sich Facebook in Meta um und betonte damit die Fokussierung des Unternehmens auf das Metaverse1. Spätestens seit dieser Ankündigung ist der Begriff Metaverse in aller Munde. Doch was genau ist ein Metaverse?
Der Begriff geht zurück auf den 1992 veröffentlichten Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson. Der Autor skizziert darin eine globale virtuelle Realität, in der sich Menschen als Avatare bewegen und interagieren. Es gibt im Gegensatz zu Computerspielen keine festgelegten Ziele, vielmehr ist das Metaverse eine alternative Realität zur physischen Welt2. Gedrängt durch Armut, Gewalt und extreme soziale Ungleichheit in der physischen Welt fliehen Menschen in das Metaverse. Staaten sind fast vollkommen irrelevant und Privatunternehmen übernehmen gesellschaftliche Ordnungsfunktionen4. Manch einer mag sich hier erinnert fühlen an Ready Player One von Ernest Cline oder auch dessen Verfilmung von Steven Spielberg. Umso erstaunlicher, dass sich dieser Begriff nun etabliert hat, obwohl der Roman ein dystopisches Weltbild beschreibt.
Doch was ist das Metaverse nun konkret? Oft wird bei dieser Frage auf das Essay „The Metaverse: What It Is, Where to Find it, and Who Will Build It“ vom Investoren Mathew Ball Bezug genommen2. In diesem Text erörtert der Autor sieben grundlende Eigenschaften eines Metaverse2, 4:
- Das Metaverse ist persistent. Es wird nicht beendet, pausiert oder zurückgesetzt, es besteht zeitlich unbegrenzt.
- Es ist synchron und live. Auch wenn es zeitlich begrenzte Veranstaltungen wie z.B. Konzerte geben wird, das Metaverse ist eine weitere Realität, die in Echtzeit stattfindet.
- Es gibt keine Beschränkung für die Anzahl der zeitgleichen Nutzer*innen. Gleichzeitig vermittelt es Nutzer*innen ein individuelles Gefühl der Präsenz. Jeder Mensch kann Teil des Metaverse sein und an Veranstaltungen/Orten/Aktivitäten zusammen mit individueller Handlungfähigkeit zeitgleich teilnehmen.
- Es wird eine voll funktionsfähige Wirtschaft haben. Individuen und Unternehmen werden in der Lage sein zu kaufen, kreieren, besitzen, investieren, verkaufen und für Arbeit entlohnt zu werden.
- Das Metaverse wird eine Erfahrung sein, die neben der digitalen auch die physische Welt umfasst. Es wird verschiedene Plattformen geben, die offene aber auch geschlossene Umgebungen im Metaverse bereitstellen.So könnte ich z.B. mit Euros ein Grundstück im Virtual Space kaufen oder umgekehrt einen Arzttermin im Virtual Space buchen, um dann in der physischen Welt hinzugehen. Auch Vermischungen im Sinne von Pokemon Go zwischen der virtuellen und der physischen Welt werden Teil des Metaverse sein.
- Es wird eine noch nie dagewesene Dateninteroperabilitäti) bieten: Inhalte, digitale Objekte und mehr können von einer Plattform mit zur nächsten genommen werden. Beispielsweise könnte so das in Minecraft konstruierte Gebäude direkt mit in Horzion Worlds, Fortnite oder unseren farvel.space genommen und platziert werden.
- Das Metaverse wird befüllt sein mit Inhalten und Erfahrungen, welche von einer Vielzahl diverser Mitwirkenden kreiert und betrieben werden. Manche mögen unabhängige Individuen sein, andere informell organisierte Gruppen oder auch kommerziell agierende Unternehmen.
Das Metaverse ist also kein Online-Computerspiel, Hardware oder eine Online-Erfahrung, es ist vielmehr eine alternative Realität. Es wird nicht eine Plattform geben, die das Metaverse ist – genauso wie auch z.B. Google oder Facebook nicht das Internet sind4.
Aus diesen Punkten wird nun deutlich, dass es wahrscheinlich keinen festen Zeitpunkt geben wird, an dem das Metaverse „verfügbar“ ist. Plattformen wie Horizon Worlds, Fortnite und Mozilla Hubs liefern Ansätze eines Metaverse, sind aber keinenfalls dort angekommen. Mathew Ball geht davon aus, dass die Entstehung des Metaverse ein andauernder Prozess sein wird, welches durch die Zusammenarbeit verschiedener Plattformen, Gruppierungen und Technologien unter Einbeziehung der Dateninteroperabilität entstehen wird4.
Aber was ist nun mit Facebook, äh Meta?

Wie zu Beginn schon angedeutet, setzt Meta voll auf das Metaverse. Dazu befindet sich seit mehreren Jahren ihre Plattform Horizon Worlds in Entwicklung. Zusammen mit den anderen Services – Facebook, Instagram, WhatsApp – kann Meta auf eine Vielzahl an Nutzer*innen zurückgreifen und die einzelnen Dienste untereinander verknüpfen. So ist es denkbar, dass ich als Nutzer*in von der Facebook Gruppe zu einem Meetup in Horizon Worlds springe, währenddessen noch eine WhatsApp-Nachricht erhalte und diese aus dem Virtual Space heraus beantworte.
Klingt eigentlich ganz nett, oder? Ja und nein. Im Umgang mit den Nutzer*innen hat Meta in letzter Zeit nicht gerade geglänzt. Wie die Whistleblowerin Frances Haugen berichtet, befindet sich der Konzern im ständigen Interessenkonflikt zwischen öffentlicher Sicherheit und eigenen Profiten. Diese würden zumeist zugunsten von Profiten gelöst. Unter anderem wisse Meta schon länger von den sehr negativen psychischen Auswirkungen von Instagram auf Teenager, dem Menschenhandel oder der Suche von Auftragskillern durch mexikanische Drogenkartelle auf ihren Plattformen5. Wer sich einen Überblick über die Verfehlungen von Meta verschaffen möchte, kann sich auf der Seite www.enteignetfacebook.global vom ZDF Magazin Royale kundtun.
Klar ist: Meta wird allein schon aufgrund der Vielzahl an Nutzer*innen ihrer Plattformen eine wichtige Rolle im aufkommenden Metaverse spielen. Nach dem bisherigen Vorgehen des Unternehmens zu urteilen, wird Meta versuchen möglichst große Anteile des Metaverse auf sich zu konzentrieren und somit zu zentralisieren. In diesem Aspekt ist die Dystopie „Snow Crash“, bei der das Metaverse Gemeingut ist und von einer gemeinwohl-orientierten Organisation verwaltet wird, sogar noch erstrebenswerter als Metas Vorstellung eines Metaverse6.
Die Gründe für Metas Interesse am Metaverse sind offensichtlich: Das bisherige Geschäftsmodell mit Daten und Werbung um ein Vielfaches zu skalieren. Wer schon einmal eine VR-Brille aufgesetzt hat weiß, wie viel Sensorik in dieser Hardware steckt. Nicht nur dass Bewegungsdaten getrackt werden, viele Brillen haben zusätzlich noch Kameras, um die Umgebung zu analysieren und Kollisionen mit der physischen Welt zu verhindern. Von den Bewegungen, Aktivitäten und Verhalten im virtuellen Raum bis hin zur Erfassung des eigenen Wohnraums, all diese Daten und mehr werden von einer VR-Brille erfasst. Hier liegt also enormes Potenzial, gezielte Werbung zu platzieren und Daten weiterzuverkaufen. Weiterhin lassen sich auch virtuelle und physische Produkte sehr vorteilhaft im virtuellen Raum bewerben und demonstrieren. Neben dem Verkauf von Produkten könnte ein „Pay-via-Meta“ Bezahlsystem sehr profitabel sein.
Die Alternative Mozilla Hubs

Den Gegenentwurf zu Meta Horizon Worlds stellt Mozilla Hubs dar. Mozilla ist eine gemeinnützige Organisation, die vor allem für ihren Webbrowser Firefox bekannt ist. Wenngleich sich beide Plattformen auf den ersten Blick ähneln mögen, unterscheiden sie sich doch signifikant. Der Code Mozilla Hubs ist unter einer Open Source Lizenz öffentlich verfügbar. Die Lizenz ist derart freizügig, dass andere Parteien den Code selbst zu kommerziellen Zwecken verwenden dürfen. Mozilla ermutigt Dritte sogar dazu, den Code für eigene Zwecke zu verwenden. Tatsächlich bauen wir selbst, farvel, unsere App auf dem Code von Mozilla Hubs auf und tragen mit unseren Entwicklungen maßgeblich zu dieser neuen Realität bei. Privatsphäre und Datenschutz wurden bei Mozilla Hubs von Beginn an mitgedacht. Für einen Account wird zum Beispiel nur die E-Mail-Adresse in der Datenbank hinterlegt, der Account an sich ist optional. Die Plattform basiert auf Webstandards und ist einfach über Webbrowser oder auch VR-Geräte betretbar. Auf diese Weise ermöglicht Mozilla einen einfachen Zugang zu Hubs und unterstützt eine Vielzahl an Endgeräten. Funktional kann die Plattform wahrscheinlich mit Horizon Worlds nicht mithalten, aber genau deswegen ist der Code öffentlich. Dritte, wie farvel, können sich das Grundgerüst Mozilla Hubs nehmen und ihre eigenen Services und Produkte darauf aufbauen.
Aus diesen Fakten lässt sich ablesen, was Mozillas Absicht ist: Die Dezentralisierung des Metaverse. Greg Fodor, einer der Mitbegründer von Mozilla Hubs, schreibt in seinem Blog (ins Deutsche übersetzt): „Dezentrale Server werden dafür sorgen, dass dieses neue Medium unabhängig wachsen und sich weiterentwickeln kann, um den unterschiedlichen Bedürfnissen der Menschen in aller Welt gerecht zu werden.“6.
farvel als Teil des Metaverse?
Derzeit kann farvel nur einen Bruchteil der von Mathew Ball genannten Eigenschaften erfüllen. Mit der Weiterentwicklung von Mozilla Hubs, der farvel App und dem technologischen Fortschritt könnte unsere Plattform irgendwann Teil des Metaverse sein. Doch für uns ist das vielmehr eine ethische als eine technische Fragestellung. Mit farvel stellen wir den Menschen und dessen Privatsphäre in den Fokus. Deswegen bezahlen unsere Nutzer*innen für das Produkt farvel mit Geld und nicht mit ihren Daten, wie das bei Meta der Fall ist. Dies wird uns begleiten, wenn wir beispielsweise irgendwann vor der Frage stehen, ob wir eine Metaverse Schnittstelle für die zuvor genannte Dateninteroperabilität implementieren. Grundsätzlich ist die Idee toll: Als Nutzer*in nehme ich zahlreiche Medien aus der Facebook Pinnwand und ein Video der verstorbenen Person von YouTube mit in einen farvel Raum. Dennoch werden wir Abstand davon nehmen, wenn wir festellen, dass unsere Nutzer*innen dafür die eigene Privatsphäre opfern müssten. Wir sind davon überzeugt, dass Trauer und die damit verbundenen Daten höchst sensibel sind und die Hoheit über diese den individuellen Nutzer*innen vorbehalten sein sollte.
Ob und wie farvel Teil des Metaverse wird, hängt davon ab, ob wir uns als Internetgemeinschaft auf datenschutzfreundliche Standards für das Metaverse einigen können und natürlich von eurer Meinung. In der Entwicklung des farvel.space schätzen wir das Feedback aus unserer Community sehr. Schau doch gerne mal in unserem Showcase Raum vorbei. Solltest du eine Meinung, Hinweise oder Feedback zum Thema Metaverse, Privatsphäre, unserem Raum und darüber hinaus für uns haben, kannst du uns jederzeit schreiben über hi@farvel.space.

Definition:
- i) Laut Wikipedia ist eine Definition von Dateninteroperabilität bzw. Interoperabilität: Als Interoperabilität (von lateinisch opus ‚Arbeit‘ und inter ‚zwischen‘) bezeichnet man die Fähigkeit zum Zusammenspiel verschiedener Systeme, Techniken oder Organisationen. Dazu ist in der Regel die Einhaltung gemeinsamer technischer Normen notwendig. Wenn zwei Systeme miteinander vereinbar sind, nennt man sie auch interoperabel. Zum vollen Artikel auf Wikipedia
Quellen:
- Tagesschau: „Facebook tauft sich in Meta um“, in Internetseite Tagesschau, 28.10.2021, URL: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/facebock-umbennung-meta-101.html, Abruf am 11.01.2022.
- Rixecker, Tim: „Was ist das Metaverse eigentlich?“, in Internetseite t3n, 02.12.2021, URL: https://t3n.de/news/metaverse-erklaert-hype-zukunft-1419141/, Abruf am 11.01.2022.
- Wikipedia: „Snow Crash“, in Internetseite Wikipedia, 18.12.2021, URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Snow_Crash, Abruf am 11.01.2022.
- Ball, Mathew: „The Metaverse: What It Is, Where to Find it, and Who Will Build It“, in Internetseite MathewBall.vc, 13.01.2020, URL: https://www.matthewball.vc/all/themetaverse, Abruf am 11.01.2022.
- Eckert, Svea, Lena Kampf & Georg Mascolo: „Schwere Vorwürfe gegen Facebook“, in Internetseite Tagesschau, 05.10.2021, URL: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/facebook-hassrede-111.html, Abruf am 11.01.2022.
- Stoll, Kathrin: „ Datenschutz: Darum ist Zuckerbergs Metaverse eine Dystopie“, in Internetseite t3n, 13.12.2021, URL: https://t3n.de/news/metaverse-datenschutz-zuckerberg-meta-1434009/, Abruf am 11.01.2022.
- Fodor, Greg: „The Secret Mozilla Hubs Master Plan“, in Internetseite Medium, 19.04.2020, URL: https://gfodor.medium.com/the-secret-mozilla-hubs-master-plan-2c1364033bec, Abruf am 11.01.2022.