Die Beisetzung ist ein zentraler Moment im Prozess des Abschiednehmens. Diese findet seit Jahrhunderten auf Friedhöfen statt. Der Ort der Bestattung ist zudem auch der zentrale Ort der Erinnerung und der Trauerkultur. Erinnerungsrituale werden an den physischen Beisetzungsort geknüpft und durch materielle Güter, etwa dem Grabstein und der Grabdekoration durchgeführt.
Grabstellen sind von Generation zu Generation weiter gegeben worden. Somit haben sie symbolisch einen wichtigen Stellenwert für unsere Erinnerungskultur. „Die Grabstätte bedeutete gesellschaftliche Identität auch nach dem Tod“1, schreibt der Historiker Prof. Dr. Norbert Fischer über die europäische Erinnerungskultur. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Familienmitglieder vor Ort leben und die Erinnerungsrituale auf den Friedhöfen pflegen und weiter fortführen.
In Folge der nachlassenden Bedeutung christlicher Traditionen der Bestattungs- und Erinnerungskultur und der Verstädterung ist das nicht mehr der Fall. Traditionen, wie Familiengräber, und (religiöse) Rituale, wie eine Grabkerze zu Feiertagen aufzustellen, verlieren an Stellenwert. Die Bedeutung, die Menschen individuellen Erinnerungsstätten beimessen, wird dafür immer größer. Laut einer Statista-Umfrage (s. Abb. 1)2 zu den Wünschen in Bezug auf die eigene Beerdigung im Jahr 2017, gaben rund 15 Prozent der Befragten in Deutschland an, dass sie sich eine Urnenaufbewahrung zu Hause bzw. eine Beisetzung im eigenen Garten wünschen. Aber in Deutschland herrscht ein strenger Friedhofszwang, eine Vorschrift, die eine Aufbewahrung der physischen Reste eines toten Menschen nur an dafür ausgewiesenen Orten erlaubt (Bestattungsgesetz § 10a). Den Friedhof im Sinne eines Aufbewahrungsortes bzw. -systems gibt es schon seit mehreren tausend Jahren. Unabhängig von Ethnie, Glaube, Geschlecht oder Geografie kultivieren Menschen diese Orte, welche sie pflegen und gestalten. Aus einer rein praktisch-technischen Sicht hatten Friedhöfe vor allem in früheren Jahrhunderten die Funktion der Leichenbeseitigung, die aus hygienischen Gründen notwendig war.

Durch das Aufkommen der Kremation nahm die praktische Bedeutung des Friedhofs jedoch ab. Das wachsende ökologische Bewusstsein, die Abnahme religiösen Interesses und der allgemeine Trend zur Individualisierung erfordern alternative Beisetzungsformen. Die sich verändernden gesellschaftlichen Bedürfnisse und Erwartungen haben auch Einfluss auf die politischen Rahmenbedingungen.
Neue ökologische Bestattungsformen zeigen zum einen, welche Innovationskraft möglich ist und wie sie in Zukunft unsere Bestattungskultur, besonders durch junge Generationen, beeinflussen könnte. Gleichzeitig werfen neue Bestattungsmethoden jedoch die Frage nach dem Erinnerungsort auf. Wenn der Körper wieder zu Kompost wird und kein physischer Aufbewahrungsort notwendig ist, wie können dann künftige Gedenkstellen aussehen? In der Studie, die Prof. Dr. Norbert Fischer im Auftrag von Aeternitas e. V. (2011) durchführt, beobachtet er folgende Neustrukturierung: „Der neue Umgang mit dem Tod und die Transformation der Bestattungsrituale hat nicht zuletzt zu einem tendenziellen Auseinderdriften von Bestattungsort einerseits, Erinnerungsort andererseits geführt“1. Diese These wird durch eine repräsentative Statista-Umfrage aus dem Jahr 2017 unterstützt. Von 990 Befragten gaben nur 12% der Teilnehmenden an, wöchentlich oder mindestens ein Mal im Monat auf den Friedhof zu gehen (s. Abb. 2)3.

Die Bestattungskultur des 21. Jahrhundert zeigt sich bisher als starres Konstrukt, in dem Innovation verhindert wird. Die Innovation besteht lediglich darin, neue Formen der Aschenbeisetzung zu ermöglichen, statt neue gesellschaftliche Bestattungsrituale zu entwickeln. Der Aufbau einer Trauerkultur und eines Erinnerungskults bleibt eine private Angelegenheit, jenseits der traditionellen Todes- und Trauerriten. Volker Nölle, emeritierter Professor für Deutsche Philologie4 stellt schon 1997 fest, dass das Konzept der heutigen Friedhöfe und die damit verbundenen Erinnerungskulturen zwar weiter gesellschaftliche Funktionen erfüllen, aber an Bedeutung verlieren. Menschen können sich weniger mit traditionellen Abschiedsritualen identifizieren, da die bestehenden Abläufe zu fest auf christlichen Traditionen und deren philosophischen Umgang mit dem Tod aufbauen. Jungen Generationen fällt es schwerer, Zugang dazu zu finden. Für den Soziologen Prof. Dr. Klaus Feldmann5 bieten neue Technologien und Medien wichtigere und wirksamere Anregungen für die Bildung persönlicher Konzepte von Sterben, Tod und Trauer.
Hier setzen wir mit farvel an. Durch neuaufkommende Technologien, das wachsende ökologische Bewusstsein und der allgemeine Trend zur Individualisierung möchten wir neue Wege finden, um den Bedürfnissen einer säkularisierten und vielfältigen Gesellschaft gerecht zu werden. Indem wir virtuelle Orte schaffen, kann Trauer individuell und ortsunabhängig Raum gegeben werden und auf eine ganz besondere Art und Weise zu diesem zentralen Moment des Abschiednehmens beitragen.

Quellen:
- Fischer, Norbert (2011): Inszenierte Gedächtnislandschaften: Perspektiven neuer Bestattungs- und Erinnerungskultur im 21. Jahrhundert, Königswinter: Aerernitas.
- Abb. 1: Umfrage zu der gewünschten Form der eigenen Beerdigung 2017. Quelle: Entnommen aus Statista (2017), ID 281755.
- Abb. 2: Grabbesuch. Umfrage von 2017 unter 990 Befragten. Quelle: Entnommen aus Statista (2017), ID 965.
- Nölle, Volker (1997): Vom Umgang mit Verstorbenen. Eine mikrosoziologische Erklärung des Bestattungsverhaltens, Europäische Hochschulschriften, Reihe XXII, Soziologie, Bd. 302, Frankfurt am Main et al.: P. Lang.
- Feldmann, Klaus (2010): Tod und Gesellschaft. Sozialwissenschaftliche Thanatologie im Überblick, 2. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag.